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Projekt CIRCADIA von Fraunhofer ISI und FOM Hochschule

Beeinflussen Bildschirme unseren Biorhythmus?

Der Vorteil von technischen Geräten in unserem Alltag liegt auf der Hand: Zeitersparnis und Komfort. Doch manche dieser Geräte und damit verbundene Verhaltensweisen wirken noch ganz anders auf uns, denn sie können unsere inneren Uhren beeinflussen. Und dies bringt nicht nur Vorteile. Das Fraunhofer ISI führt zusammen mit der FOM Hochschule im Projekt CIRCADIA eine systematische Bestandsaufnahme der Zusammenhänge zwischen biologischen Rhythmen, Gesundheit und Wohlbefinden durch. Dabei werden auch Vorschläge zu Präventions- und Lösungsstrategien für die Anpassung an Alltag und Lebenswelten erarbeitet. Der erste Policy Brief »CIRCADIA – Der circadiane Rhythmus. Essenziell für unser Überleben, häufig vernachlässigt« möchte auf dieses Thema aufmerksam machen.

02.02.2023

Regelmäßige Nachtschichten, nächtliches Surfen auf dem Smartphone oder Schulbeginn am frühen Morgen – durch solche oder andere Störungen unserer inneren Uhren bzw. unserer circadianen Rhythmik kann unser Wohlempfinden und unsere Gesundheit leiden, die Stressbelastung steigen, sich der Schlaf verschlechtern und die innere Uhr aus dem Takt geraten. Bereits nach nur einer schlaflosen Nacht sinkt unsere Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit nachweislich. Da die innere Uhr zentral für unsere Leistungsfähigkeit ist, können Störungen zu vielfältigen gesundheitlichen Problemen führen und sich auf Hormone, physiologische Prozesse für einen gesunden Schlaf oder das Immun- und Herz-Kreislaufsystem auswirken – diese Probleme sind im Kontext einer circadianen Desynchronisation beschrieben.

Was sind circadiane Rhythmen und wie funktionieren sie?

Unsere sogenannten inneren Uhren takten die lebensnotwendigen biologischen Rhythmen im menschlichen Körper und sind untrennbar mit der Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus‘ verbunden. Zudem müssen sie täglich angepasst werden – denn die Periodik unserer inneren zellulären Uhren beträgt nicht exakt 24 Stunden, sondern schwankt um diesen Wert herum. Licht ist dabei der stärkste Zeitgeber für die innere Uhr und somit maßgeblich für die Erhaltung unserer Gesundheit. Fehlendes Tageslicht sowie künstliches Licht zur falschen Zeit – zum Beispiel nachts und vor dem Schlafanfang – kann zu einer Störung des circadianen Systems führen. Auch unterscheidet sich die Leistungsfähigkeit vieler Menschen im Tagesverlauf erheblich und es gibt unterschiedliche Chronotypen – von frühen »Lerchen« bis späten »Eulen«. Welcher Chronotyp wir sind, ist grundsätzlich genetisch festgelegt. Handeln Menschen nun entgegen ihrer inneren Uhr, kann dies Abläufe im Körper durcheinanderwirbeln.

Aus diesen Gründen sollte es für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft von großem Interesse sein, mehr über die dahinterstehenden, grundlegenden Mechanismen herauszufinden, um besser zu verstehen, wie Entrhythmisierung vermieden oder verringert werden kann und wie circadiane Rhythmen durch neue und vielfältig kombinierbare Technologien sowie soziale Praktiken im Alltag beeinflusst werden.

Projekt CIRCADIA liefert Bestandsaufnahme

Genau dies passiert im Projekt »Circadiane Rhythmen und Technologie – Desynchronisation im Alltag« (kurz CIRCADIA) des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI und der FOM Hochschule. Neben einer Bestandsaufnahme und einem Ausblick auf zukünftige Entwicklungen sollen im Projekt CIRCADIA im weiteren Verlauf auch Vorschläge zu Präventions- und Lösungsstrategien bei der Neugestaltung von Lebenswelten erarbeitet werden. Bei CIRCADIA handelt es sich um ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes Forschungsprojekt zu interdisziplinären Perspektiven des gesellschaftlichen und technologischen Wandels (INSIGHT-Programm). Im Projekt wurde jetzt der erste Policy Brief »CIRCADIA – Der circadiane Rhythmus. Essenziell für unser Überleben, häufig vernachlässigt« veröffentlicht, der erklärt, was den circadianen Rhythmus ausmacht und einen Überblick über die wichtigsten Zusammenhänge liefert, wobei er auf die Chronobiologie des Menschen aufmerksam machen möchte.

Technische Geräte und damit verbundene Verhaltensweisen wirken auf uns, sie können unsere inneren Uhren und damit unser Wohlempfinden und unsere Gesundheit beeinflussen | © FOM/Doryan Moshir Nia

Im Rahmen dieser Bestandsaufnahme präsentiert Prof. Dr. Kerstin Cuhls, die das Projekt am Fraunhofer ISI leitet, die ersten bisherigen Erkenntnisse: »In unserem ersten CIRCADIA-Policy Brief weisen wir daraufhin, dass es zunächst einer stärkeren gesellschaftlichen Aufmerksamkeit für das Thema circadiane Tagesrhythmen bedarf. Unsere innere Uhr sollte als ein individuelles, biologisches Merkmal vergleichbar mit der Körpergröße, dem Körpergewicht oder dem Geschlecht verstanden werden. Unsere individuelle Uhr, also der Chronotyp eines jeden Menschen, lässt sich wissenschaftlich ermitteln und Tagesabläufe könnten viel besser daran angepasst werden. Flexible Lern- und Arbeitszeitmodelle in Schulen und an Arbeitsstätten könnten zum Beispiel ausgebaut und dort, wo es sozialverträglich einzurichten ist, auf Schicht- und Nachtarbeit verzichtet werden.«

Prof. Dr. habil. Thomas Kantermann, der die CIRCADIA-Forschung am iap Institut für Arbeit & Personal der FOM Hochschule koordiniert, ergänzt: «Die Abschaffung der Sommerzeit wäre eine Möglichkeit, einen menschengemachten Störfaktor für die menschlichen Rhythmen auszuschließen. Und nicht zuletzt bedarf es mehr Aufklärung und Vorsorge im Hinblick auf die Frage, wie Licht unsere innere Uhr beeinflusst, wie wichtig natürliches Tageslicht für den Menschen ist und wie sich insgesamt mehr Lichtexposition im Alltag von Menschen erreichen ließe.«

Um die Erkenntnisse gesamtgesellschaftlich verfügbar zu machen, sind politische Entscheidungen und Unterstützung unumgänglich. Im Projekt CIRCADIA werden die Erkenntnisse durch eine repräsentative Befragung untermauert und die Folgen der Nutzung vielfältig kombinierbarer technischer Geräte für die circadianen Tagesrhythmen sowie sozialer Praktiken stärker erforscht. Alle Erkenntnisse hierzu werden in weiteren Policy Briefs sukzessive der Öffentlichkeit vorgestellt.