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Prof. Dr. Gernot Schiefer (KCQF) und FOM Master-Absolventin Hanna Nitsche im Interview:

Die Rolle der Führungskraft in agilen Organisationen

Vor welchen Herausforderungen stehen Führungskräfte, die ihren Mitarbeitenden agile Denk- und Arbeitsweisen vorleben sollen? Und wie können Unternehmensspitze und Personalmanagement dazu beitragen, damit ihren Führungskräften dieses Vorhaben gelingt? Dazu haben wir Prof. Dr. Gernot Schiefer, Leiter des KCQF KompetenzCentrum für Qualitative Forschung, und FOM Master-Absolventin Hanna Nitsche befragt, die ihre Forschungsergebnisse zu agilen Organisationen 2019 im Springer-Verlag publiziert haben.

15.09.2020 | Mannheim und Saarbrücken

Prof. Dr. Schiefer, wie wirkt sich ein agiles Mindset auf die Führungsrolle aus?

Gernot Schiefer: Wesentliche Auswirkungen liegen im Machtverhältnis zwischen der Führungskraft und den Mitarbeitenden, sowie der Arbeits- und Denkweise aller Team-Mitglieder. Unabhängig von Weisungsbefugnissen verstehen sich alle Team-Mitglieder auf Augenhöhe, arbeiten selbstbestimmt, flexibel und übernehmen Verantwortung für ihr eigenes Tun und den gesamten Prozess. Die Führungskraft gibt weiterhin Richtungen vor, macht Rahmenbedingungen deutlich, aber vor allem unterstützt sie, damit alle Mitarbeitenden ihre bestmögliche Leistung erbringen können. Je nach Ausgangssituation muss die Führungskraft ihre Mitarbeitenden im Rahmen dieser Entwicklung anfangs mehr oder weniger an die Hand nehmen. Strikte Anweisungen und ständige Kontrolle durch den Vorgesetzten sind nicht mehr zeitgemäß, was aber auf keinen Fall mit Führungslosigkeit verwechselt werden darf.

Frau Nitsche, welche Barrieren können in der agilen Personalführung auftreten?

Hanna Nitsche: Neben der inneren Einstellung von Führungskräften – dem agilen Mindset – sind die Unternehmenskultur, in der die Führung stattfindet, und die internen Organisationsprozesse essenziell. Sind Führungskräfte beispielsweise gewillt, etwas zu verändern, werden aber durch andere Hierarchieebenen ausgebremst, ist dies durchaus eine Barriere gegen die Implementierung agiler Personalführung. Da in vielen Unternehmen noch relativ starre Strukturen und festgelegte Abläufe herrschen, ist der Weg zu agiler Personalführung mit einem tiefgreifenden Entwicklungsprozess der gesamten Organisation verbunden. Veränderungen in diesem Umfang lösen Beunruhigung in Unternehmen und bei Mitarbeitenden aus. Es ist daher von besonderer Bedeutung, dass das oberste Management die Einführung agiler Führungsstrukturen vollständig und sichtbar unterstützt, dies regelmäßig und eindeutig kommuniziert und damit einen Sicherheit und Orientierung stiftenden Rahmen anbietet.

Prof. Dr. Schiefer, wie kann die Implementierung agiler Führungsstrukturen gelingen?

Gernot Schiefer: Hier sind zwei Aspekte besonders zu berücksichtigen. Zum einen muss die Führungskraft agile Denk- und Arbeitsweisen aktiv vorleben und diese bei ihren Mitarbeitenden fordern und gezielt fördern. Dazu muss sie diese zunächst selbst verinnerlichen – was nur gelingt, wenn sie sich auch mit ihnen identifizieren kann.

Prof. Dr. Gernot Schiefer, Leiter des KCQF KompetenzCentrum für Qualitative Forschung, und FOM Wirtschaftspsycholgie-Absolventin Hanna Nitsche (M.Sc.) [Anmerkung: Das Foto wurde 2019 vor der Corona-Pandemie aufgenommen] (Foto: FOM)

Der zweite Aspekt bezieht sich auf alle Führungskräfte im Unternehmen und vor allem im obersten Management: Alle müssen erkennbar hinter dieser „neuen“ Führungsmentalität stehen und dabei dauerhaft eine aktive Rolle einnehmen. Es gibt immer Mitarbeitende, die sich stark gegen Veränderungen sträuben, selbstständiges Arbeiten meiden oder ihr Silo-Denken nicht ablegen wollen – und dadurch diesen Prozess deutlich verzögern. Daher ist es so wichtig, dass die Veränderungen im Unternehmen von der Unternehmensspitze klar getragen und vorgelebt werden.